Flüchtlinge: Anerkennung statt Ausgrenzung
„Wir stehen zum Grundrecht auf Asyl für politisch Verfolgte. Wer vor Verfolgung oder Diskriminierung, seien sie staatlich oder nichtstaatlich oder auch geschlechtsspezifisch, fliehen muss, soll in Deutschland Schutz und Zuflucht, schließlich auch einen gesicherten Aufenthalt bekommen.“ (Hamburger Programm der SPD)
Angesichts der weltweit größten Anzahl von Flüchtlingen seit dem Zweiten Weltkrieg – derzeit ca. 50 Mio. – sind diese Sätze aus unserem Grundsatzprogramm aktueller denn je. Im Jahr 2014 wurden in Deutschland 202.834 Asylanträge gestellt. Das bedeutet gegenüber dem Vorjahr einen Anstieg von 59,7 %. In knapp 50 % der Fälle wird aufgrund einer inhaltlichen Entscheidung ein Schutzstatus gewährt („bereinigte Schutzquote“). Bei fünf der zehn häufigsten Herkunftsländer liegt die Bleibewahrscheinlichkeit bei über 70 %. Insgesamt lebten in Deutschland Ende 2013 rund 500.000 Flüchtlinge. Davon sind 86.000 Geduldete und 33.000 Ausreisepflichtige. Flüchtlinge verdienen unseren Schutz und unsere Unterstützung. Wir als SPD im Bund, in den Ländern und in den Kommunen wollen für eine fortschrittliche Flüchtlingspolitik stehen, die das Wohl der Menschen im Blick hat.
Wir erleichtern den Arbeitsmarktzugang für Flüchtlinge.
Wir haben die Wartefrist, nach der die Ausübung einer Beschäftigung erlaubt wird, auf drei Monate verkürzt. Zuvor waren es für viele Asylbewerber/-innen neun, für Geduldete zwölf Monate. Nach 15 Monaten Aufenthaltsdauer entfällt nun auch die Vorrangprüfung. Flüchtlingen und Geduldeten ist dann die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit ohne vorherige Prüfung gestattet, ob EU-Bürger/-innen für den Arbeitsplatz zur Verfügung stehen.
Wir verbessern die Leistungen für Asylbewerber/-innen und Geduldete.
Mit der Reform des Asylbewerberleistungsgesetzes (AsylbLG) gibt es eine transparente und sichere Versorgung der Leistungsempfänger/-innen nach diesem Gesetz. Junge Menschen können Leistungen aus dem Bildungs- und Teilhabepaket beantragen. Nach Verlassen der Erstaufnahmeeinrichtungen erhalten Flüchtlinge ihre Leistungen grundsätzlich in bar und nicht mehr in Form von Sachleistungen.
Wir unterstützen Länder und Kommunen finanziell.
Der Bund beschloss im Dezember 2014, den Ländern und Kommunen zusätzlich 500 Mio. Euro im Jahr 2015 für die Aufnahme, Unterbringung und Versorgung von Asylsuchenden zur Verfügung zu stellen. Weitere 500 Mio. Euro werden 2016 folgen, falls die besondere Belastung durch weiter steigende Flüchtlingszahlen fortbesteht. Weiterhin werden Bundesimmobilien zur Unterbringung von Flüchtlingen künftig mietzinsfrei überlassen, wodurch Kommunen und Länder jährlich weitere 25 Mio. Euro einsparen. Die Reform des Asylbewerberleistungsgesetzes an sich entlastet zudem die Länder und Kommunen 2015 um 31 Millionen Euro und 2016 um 43 Millionen Euro. Hintergrund ist, dass kleine Betroffenengruppen aus dem AsylbLG herausgenommen werden, z.B. Opfer von Menschenhandel. Es gilt: Jede Gruppe, die nicht unter das AsylbLG fällt, entlastet die Kommunen, da die Kosten derzeit von diesen getragen werden. Es lohnt sich also auf diesem Weg weiterzugehen und etwa die Bürgerkriegsflüchtlinge aus dem AsylbLG herauszunehmen. Die größte Entlastung der Kommunen würde natürlich durch die Abschaffung des gesamten Gesetzes entstehen.
Wir schaffen die Residenzpflicht ab.
Asylbewerber/-innen und Geduldete können sich nach drei Monaten Aufenthaltsdauer frei im Bundesgebiet bewegen. Die Residenzpflicht, nach der sich die Betroffenen nur in einem zugewiesenen Landkreis oder Bundesland aufhalten müssen, ist Geschichte. Diese Änderung wurde Ende Dezember 2014 beschlossen und ist seit 1. Januar 2015 in Kraft.
Wir stärken die Gesundheitsversorgung von Flüchtlingen.
2015 fördern wir Projekte zur gesundheitlichen Aufklärung von Flüchtlingen mit 500.000 Euro. Die Regelung des Nothelferanspruchs gewährleistet die medizinische Versorgung von Flüchtlingen in Eilfällen. Ärzt/-innen und weitere Helfer/-innen bekommen ihre Aufwendungen dafür erstattet. Dies sind allerdings nur Minischritte in die richtige Richtung. Umfassende Verbesserungen im Bereich der Gesundheitsversorgung von Flüchtlingen müssen folgen.
Wir sorgen für menschenwürdige Unterbringung.
Wir vereinfachen das Baurecht um weitere Erstaufnahmeeinrichtungen und Asylbewerberheime zu bauen. Allerdings ist die nun bestehende Möglichkeit, Unterkünfte in Gewerbegebieten zu errichten, mit großer Skepsis zu sehen, auch wenn es sich dabei nur um Erstaufnahmeeinrichtungen handelt. Integration und Teilnahme sind vom ersten Tag des Aufenthalts in Deutschland an wichtig.
Trotzdem bleibt noch sehr viel zu tun.
Diese Schritte können nur der Anfang sein. In den kommenden Monaten stehen weitere Reformen an, um die Lage für Flüchtlinge zu verbessern. Leider lehnen CDU/CSU affektartig viele Verbesserungen ab. Viele Bürgerinnen und Bürger in den Kommunen sind schon weiter und helfen. Sie geben Geld- oder Sachleistungen. Sie helfen Schülern und Schülerinnen oder Erwachsenen beim Umgang mit den Behörden. Wir dürfen uns nicht auf den bisherigen Errungenschaften ausruhen. Der Schaffung eines Arbeitsmarktzuganges nach drei Monaten müssen Maßnahmen folgen, damit dieser auch tatsächlich in der Praxis besteht. Deshalb müssen die Verfahren zur Anerkennung von Abschlüssen deutlich beschleunigt werden. Denn ohne anerkannten Abschluss und ohne Deutschkenntnisse lässt sich nur schwer eine qualifikationsadäquate Beschäftigung finden.
Daher müssen vor allem auch die Angebote zum Spracherwerb konsequent ausgebaut werden und für jeden zugänglich sein. Wir brauchen viel mehr allgemeine sowie berufsbezogene Sprachkurse, die flächendeckend angeboten werden, und zwar ab dem ersten Aufenthaltstag. und Wir brauchen gute und sichere Bedingungen für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge. Diese sollen für die Dauer ihrer Berufsausbildung in Deutschland ein Aufenthaltsrecht erhalten. Die Kinder- und Jugendhilfe muss ausgebaut werden, um stärker auf die Bedürfnisse dieser Gruppe einzugehen.
Auch für junge Geduldete muss die aufenthaltsrechtliche Situation verbessert werden, insbesondere, wenn sie eine Berufsausbildung in Deutschland beginnen möchten. Die kurzen Duldungsdauern von maximal einem Jahr bieten zu wenig Sicherheit für Ausbildungsbetriebe, die den Aufenthalt ihrer Azubis für die gesamte Ausbildungsdauer gesichert wissen wollen und eine Perspektive für eine Weiterbeschäftigung benötigen. Finanzielle Unterstützung bei der Ausbildung steht jungen Geduldeten erst nach vier Jahren Aufenthalt in Deutschland zu. Eine Verkürzung dieser Wartefrist auf 15 Monate ist geplant und sollte so schnell wie möglich umgesetzt werden.
- Besonders wichtig ist in den nächsten Monaten die Verbesserung der Gesundheitsversorgung von Flüchtlingen:
Viele Flüchtlinge aus den Kriegsregionen sind traumatisiert. Insbesondere Frauen werden Opfer sexualisierter Gewalt. Die Betroffenen müssen psychologisch betreut werden. - Jede/r Asylbewerber/-in braucht endlich eine Krankenkarte. Dies entlastet die Verwaltungen der Kommunen, während die Krankenkassen diese Aufgaben übernehmen. In Bremen, Berlin und Hamburg wird dieses Modell bereits erfolgreich praktiziert.
- CDU, CSU und SPD haben sich im Koalitionsvertrag dazu bekannt, dass die UN-Kinderrechtskonvention Grundlage für den Umgang mit minderjährigen Flüchtlingen ist. Die Kinder haben somit ein „Recht auf das erreichbare Höchstmaß an Gesundheit“. Es ist daher unumgänglich, dass minderjährige Flüchtlinge aus dem AsylbLG herausgenommen und in die gesundheitliche Regelversorgung aufgenommen werden.
Flüchtlinge brauchen Anerkennung. Ein erster Schritt dazu ist die Gleichbehandlung und damit das Ende der Diskriminierung. Sie brauchen die gleichen Rechte, egal ob im Gesundheitswesen oder im Berufsleben. Der konsequenteste Schritt wäre, das AsylbLG komplett abzuschaffen. Im Frühjahr 2015 steht die Umsetzung der EU-Aufnahmerichtlinie aus 2013 auf dem Programm. Wir werden dies nutzen, um weitere Verbesserungen für Asylbewerber/-innen durchzusetzen.