Olaf Scholz und Rolf Mützenich haben eine sozialdemokratische Antwort auf Putins Krieg skizziert. Sie umfasst die Wehrhaftigkeit der Demokratie gegenüber Aggressoren und die humanitäre und diplomatische Bewältigung internationaler Krisen. Dabei bleibt es Aufgabe der Sozialdemokratie, die sozialen Folgen der aktuellen Energiekrise einzudämmen.
Wir verstehen uns in der Parlamentarischen Linken (PL) als Ort lebendiger Diskussionen, um all diese Aspekte zu vertiefen und unterschiedliche Meinungen auch innerhalb der PL weiter aufzugreifen. Unstrittig ist für uns die absolute Verurteilung des Angriffskriegs durch Präsident Putin. Unstrittig ist für uns auch die uneingeschränkte Solidarität mit der Ukraine und den dort lebenden Menschen. Dieser Krieg ist nicht der Krieg der russischen Bevölkerung oder unserer russischsprachigen Mitbürger. Anfeindungen und Diskriminierungen gegen sie stellen wir uns entschieden entgegen.
Folgende Überlegungen sind für uns in der nächsten Zeit handlungsleitend:
Freiheit verteidigen, Sicherheit umfassend denken
Die Einrichtung des Sondervermögens Bundeswehr darf nicht im Widerspruch zu unseren friedenspolitischen Grundsätzen stehen. Grundvoraussetzung dafür ist, dass es sich um eine einmalige Einrichtung handelt, die die Kontrolle und Entscheidung durch das Parlament garantiert und durch ihre verfassungsrechtliche Konstruktion nicht zulasten progressiver Politik geht. Demokratien müssen robust sein, damit eine diplomatische Lösung internationaler Konflikte möglich bleibt. Langfristige Entspannungsinitiativen und eine auf internationalen Verträgen und diplomatischer Verständigung fußende Friedensordnung sind Ziel sozialdemokratischer Sicherheitspolitik.
Entwicklungszusammenarbeit zielt auf die humanitäre und soziale Prävention und Lösung von internationalen Konflikten. Das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung muss in der Lage sein, seinen internationalen Verpflichtungen nachzukommen und neue Schwerpunkte zu setzen. Mit uns gibt es keine Kürzung der Haushaltsmittel für die Entwicklungszusammenarbeit. Das Gegenteil ist richtig: Wir brauchen mehr Mittel für die Entwicklungszusammenarbeit u.a. angesichts drohender Lebensmittelknappheit.
Darüber hinaus gilt unsere Solidarität den fliehenden Menschen: Wir wollen allen Menschen, die in der Ukraine gelebt haben und nun fliehen müssen, eine schnelle und unbürokratische Aufnahme ermöglichen. Bei der Aufnahme der Fliehenden unterstützen wir die Kommunen.
Die Bundeswehr angemessen ausrüsten und nachhaltig reformieren
Jedweden Aufrüstungsphantasien erteilen wir eine deutliche Absage. Das Sondervermögen Bundeswehr soll dazu dienen, dass die Bundeswehr angemessen ausgerüstet ist, um ihren Bündnisverpflichtungen nachzukommen. Nach Jahren christdemokratischen Missmanagements brauchen wir jetzt eine nachhaltige Reform des Beschaffungswesens sowie einen effizienteren Einsatz der Mittel. Eine Diskussion über die Bündelung der militärischen Kräfte auf europäischer Ebene bleibt weiterhin notwendig.
Sozialen Zusammenhalt sichern, Folgen der Inflation eindämmen
Millionen Menschen spüren die Auswirkungen der steigenden Energiepreise. Das milliardenschwere Entlastungspaket der Ampel-Koalition wird bald wirken.
Viele erwarten zusätzliche Maßnahmen. Es ist die Aufgabe von Politik, die Preisgestaltung nicht allein den Marktkräften und die Bewältigung der Inflation nicht den Einzelnen zu überlassen. Es braucht einen wirksamen Maßnahmenmix, der nicht nur an den Energiepreisen, sondern auch an der Einkommensseite ansetzt und damit vor allem die Menschen mit kleinen und mittleren Einkommen unterstützt.
Dazu können u.a. die Verschärfung des Kartell- und Wettbewerbsrechts, die Deckelung von Gas- und anderen Heizkostenpreisen, kurzfristige Anpassungen in den Mindestsicherungssystemen, eine substantielle Erhöhung des geplanten Heizkostenzuschusses, eine Senkung der Einkommenssteuer für niedrige und mittlere Einkommen und eine (temporäre) Absenkung der Umsatzsteuer gehören, wenn sichergestellt ist, dass die Entlastungen bei den Verbrauchern ankommen.
Maximales Tempo beim Ausbau der Erneuerbaren Energien
Der maximale Ausbau Erneuerbarer Energien bleibt zentrale Aufgabe, um mittelfristig unabhängiger von russischen Energieimporten sowie den Preisschwankungen der globalen Märkte zu werden. Entscheidend ist, den Erneuerbaren in allen Fachgesetzen Vorrang einzuräumen. Wir brauchen einen Zukunftspakt mit den Ländern und Gemeinden, der konkrete jährliche Ausbaumengen für Wind- und Solarenergie enthält.
Krisenkosten gerecht verteilen, unsere Kernvorhaben sicherstellen
Pandemie, Klimawandel und aktuell die Ukraine-Krise erfordern staatliches Handeln. Das zieht öffentliche Mehrausgaben und staatliche Einnahmeausfälle nach sich. Menschen mit niedrigen und mittleren Einkommen stehen unter Druck. All dies macht eine finanzpolitische Neubewertung notwendig.
Wir definieren Sicherheit umfassend: Äußere, innere und soziale Sicherheit bedingen einander. Sie umfasst für uns u.a. auch eine stark aufgestellte Infrastruktur, die die Bevölkerung schützt, zusätzliche Gelder z.B. für die Ausstattung der Krankenhausinfrastruktur und die Unterstützung des Bevölkerungsschutzes sowie den Ausbau der Schieneninfrastruktur und des ÖPNV.
Deshalb sprechen wir uns dafür aus, die Schuldenbremse auch für das Jahr 2023 auszusetzen und so den Spielraum für finanzielle Maßnahmen zu vergrößern. Zur Finanzierung der vereinbarten Projekte sowie der Mehrausgaben und Mindereinnahmen der öffentlichen Hand muss es auch auf der Einnahmenseite eine Neubewertung geben. Fiskalische Abhilfe können die schnell umzusetzenden Maßnahmen gegen Steuerhinterziehung und Umsatzsteuerbetrug schaffen.
Wir regen zudem an, neben dem notwendigen 100-Milliarden-Sondervermögen eine Sondervermögensabgabe zu stellen, mit der solidarisch die Krisenkosten finanziert werden sollen. Denkbar ist auch eine Sondersteuer auf die Gewinne der Energieunternehmen, die zu den aktuellen Krisenprofiteuren gehören. In der Einkommenssteuer schlagen wir eine Entlastung kleiner und mittlerer Einkommen vor, die durch eine stärkere Belastung der höchsten 5 % der Einkommen aufkommensneutral ausgestaltet werden kann.
Das Papier als pdf-Datei zum Download gibt es hier.