Sozialdemokratische Innenpolitik zum Schutz der Demokratie umsetzen

Positionspapier der Parlamentarischen Linken in der SPD-Bundestagsfraktion

Mit Nancy Faeser an der Spitze des Bundesinnenministeriums wurde ein neues Kapitel sozialdemokratischer Innen- und Sicherheitspolitik eingeläutet. Die Stärkung unserer Demokratie und Zivilgesellschaft, der Ausbau von Prävention und politischer Bildung wie auch die Bekämpfung von Rechtsextremismus und Desinformationen haben für uns höchste Priorität. Und wir liefern: Die Verschärfung des Waffenrechts wurde auf den Weg gebracht, um insbesondere Reichsbürger und Neonazis zu entwaffnen. Das Demokratiefördergesetz wurde in Angriff genommen, mit dem wir die plurale Zivilgesellschaft langfristig unterstützen. Zum ersten Mal hat die Bundesregierung einen Aktionsplan gegen Rechtsextremismus. Diese Gesetze und Maßnahmen müssen zügig umgesetzt werden.

All das ist umso wichtiger, als unsere Demokratie unter Druck steht. Corona-Pandemie, Ukraine-Krieg und Fluchtbewegungen, Preissteigerungen sowie die Klima- und Energiefrage wurden von Rechtsaußen für Populismus instrumentalisiert, um Verschwörungserzählungen, Hass im Netz und Desinformationen zu verbreiten.

Die Sicherheitsbehörden verzeichnen mittlerweile einen Höchststand an Rechtsextremisten und gewaltbereiten Rechten, Reichsbürgern und Selbstverwaltern. Deren Radikalisierung schreitet voran, wie die Putsch-Pläne des Reichsbürger-Netzwerks gezeigt haben. Dass die Sicherheits- und Ermittlungsbehörden darauf mit einem der größten Anti-Terror-Einsätze in der Geschichte der Bundesrepublik reagiert haben und sich dutzende Beschuldigte vor Gericht verantworten müssen, verdeutlicht eines: Diese Entwicklung ist eine reale Gefahr für unsere Gesellschaft, die Demokratie und den Parlamentarismus.

Auch im Parlament können wir tagtäglich die demokratiefeindlichen Bestrebungen der AfD hautnah miterleben.

Für die Parlamentarische Linke, die ihr Handeln in der Tradition von Otto Wels sieht, ergeben sich daraus mehrere Schwerpunkte im Kampf gegen Rechtsextremismus, gezielte Desinformation und für unsere Demokratie.

Hass im Netz konsequent und schnell verfolgen

Es kommt darauf an, den „Aktionsplan gegen Rechtsextremismus“ in vollem Umfang zügig umzusetzen. Insbesondere die Bekämpfung von Hasspostings gehört ganz oben auf die Agenda. Hass im Netz, ob von Rechtsextremen, Verschwörungserzählern oder Islamisten, ist eine der größten Gefahren für unsere Demokratie, für die Zivilgesellschaft und jede Person, die angefeindet wird. Es gilt, keine Zeit zu verlieren und Hasskriminalität mit allen Mitteln des Rechtsstaats entgegenzuwirken. Die Zentrale Meldestelle für strafbare Inhalte beim Bundeskriminalamt leistet wertvolle Arbeit und muss gestärkt werden. Insbesondere Social-Media-Plattformen gehören in die Pflicht genommen, damit strafrechtlich relevante Inhalte konsequent und zügig entfernt werden.  Den Betroffenen geben wir mit dem digitalen Gewaltschutzgesetz wirksame Instrumente zur Durchsetzung ihrer Rechte an die Hand und schaffen mit gerichtlichen Accountsperren einen gezielten Stopp von demokratiefeindlichen Hasspostings. Im Bereich der Online-Radikalisierungsprävention hat der Bund mit der Bundeszentrale für politische Bildung (bpb) und im Rahmen des Bundesprogramms „Demokratie leben!“ umfassende Maßnahmen auf den Weg gebracht. Die dafür zur Verfügung stehenden Mittel müssen verstetigt werden. Auch dafür braucht es endlich einen Durchbruch bei der Umsetzung des Demokratiefördergesetzes.

Desinformation begegnen

Desinformation und Propaganda sind Gift für unsere Demokratie, weil sie das Vertrauen in staatliche Institutionen und in unsere Demokratie untergraben. Da soziale Netzwerke nicht an Grenzen halt machen, begrüßen wir die strengen EU-Vorgaben des Digital Services Act für alle Online-Plattformen, die ihre Dienste in der EU anbieten, an die sich nicht zuletzt auch „X“ (ehemals Twitter) halten muss. Auch die europaweiten Sendeverbote für russische Staatsmedien zeigen, dass wir die illegitime Einflussnahme anderer Staaten nicht hinnehmen.

Wir müssen darüber hinaus mehr investieren in Aufklärung, politische Bildung und Medienkompetenz zum besseren Erkennen und Filtern von Nachrichten im Informationsraum. Hier ist neben der Stärkung der bpb auch die Bildungspolitik der Bundesländer gefragt. Es muss darum gehen, möglichst viele gerade junge Menschen mit Angeboten der politischen Bildung zu erreichen. Neben der Resilienz von Bürgerinnen und Bürgern gilt es, vor allem unsere Sicherheitsbehörden resilienter aufzustellen. Kein Verfassungsfeind darf in den öffentlichen Dienst, Polizei oder in Nachrichtendienste gelangen. Hierfür wird in Einstellungsverfahren sensibilisiert und das Monitoring weiter intensiviert. Das Gesetz zur schnelleren Entfernung von Verfassungsfeinden aus dem Staatsdienst haben wir beschlossen. Für uns ist dabei klar: eine AfD-Mitgliedschaft ist mit dem öffentlichen Dienst egal in welcher Funktion nicht vereinbar.

Finanzermittlungen ausweiten

Die aktuellen Erkenntnisse zu mutmaßlichen Bestechungsgeldern aus Russland an einzelne AfD-Abgeordnete zeigen uns deutlich, dass wir die Strafverfolgungsbehörden noch besser aufstellen müssen, um illegale Finanzströme aufzuklären. Die grenz- und behördenüberschreitende Zusammenarbeit im In- und Ausland werden wir weiter ausbauen. Mit dem Transparenzregister haben wir 2021 bereits die Voraussetzung dafür geschaffen, dass alle EU-Mitgliedstaaten ihre Register vernetzen und digital nutzbar machen können. Das ist ein ebenso wichtiger Schritt bei der Geldwäschebekämpfung wie die Neufassung des Straftatbestands der Geldwäsche nach §261 StGB. Mit dem sogenannten All-Crimes-Ansatz können viel mehr Straftaten in den Fokus genommen werden, so dass umfassendere Finanzermittlungen zur Bekämpfung von Geldwäsche und organisierter Kriminalität möglich sind. Durch das Gesetz zur Finanzkriminalitätsbekämpfung schaffen wir zudem das neue Bundesamt zur Bekämpfung von Finanzkriminalität, welches ab 2025 seine Arbeit aufnimmt. Darin werden Aufgaben gebündelt und der Informationsaustausch zwischen den Stellen im In- und Ausland verbessert.

Zur Prävention haben wir bereits ein Bargeldverbot bei Immobilienkäufen eingeführt und werden eine generelle Bargeldobergrenze im sonstigen Zahlungsverkehr von 10.000 Euro auf europäischer Ebene umsetzen.

Bei der Aufklärung und Nachverfolgung von Finanzflüssen insbesondere rechtextremistischer und terroristischer Organisationen stößt der Verfassungsschutz dort an seine Grenzen, wo kein expliziter Gewaltbezug nachweisbar ist. Damit sind Finanzermittlungen bisher rechtlich nur eingeschränkt möglich. Wir haben im Koalitionsvertrag angekündigt, die diesbezüglichen Möglichkeiten unserer Nachrichtendienste zu prüfen. Wir wollen zeitnah eine Gesetzesänderung für besondere Auskunftsverlangen (§ 8a BVerfSchG) vorlegen, damit das Bundesamt für Verfassungsschutz Finanzermittlungen zur Aufklärung von transnationalen Netzwerken schneller durchführen kann.

Wehrhafte Demokratie konsequent denken

Für uns ist klar, dass wir auf der einen Seite unsere Demokratie noch wehrhafter machen müssen und wir auf der anderen Seite die Instrumente der wehrhaften Demokratie konsequent nutzen wollen.

Überall dort, wo Rechtsextreme und Rechtspopulisten an die Macht kommen, werden zuerst die Justiz und die freien Medien angegriffen, beschränkt und abgebaut. Diese Bereiche müssen wir resilienter aufstellen. Diese Bestrebungen sind für uns auch kein Ort für parteipolitisches Taktieren. Das Bundesverfassungsgericht muss aus unserer Sicht im Grundgesetz besser abgesichert werden. Zudem Bedarf es einer Strategie für den Schutz der Rundfunk-Staatsverträge.

Auch die Möglichkeit einen Antrag auf Prüfung der Verfassungskonformität einer Partei beim Bundesverfassungsgericht zu stellen, ist wesentlicher Bestandteil unserer wehrhaften Demokratie. Die Väter und Mütter des Grundgesetzes haben den Artikel 21 als Lehre aus dem Nationalsozialismus geschaffen. Sie haben uns damit eine Maßnahme an die Hand gegeben, wenn die Antidemokraten in Deutschland wieder erstarken. Als Sozialdemokratie und Parlamentarische Linke stehen wir in der Tradition des Kampfes gegen den Faschismus und an der Seite der Millionen Menschen aus der Zivilgesellschaft, die deutlich gemacht hat: „Nie wieder ist jetzt!“.

Die AfD ist als rechtsextremer Verdachtsfall eingestuft. In einigen Bundesländern gilt sie bereits als gesichert rechtsextrem. In den vergangenen Monaten kamen die Kreml-Verbindungen, die Vertreibungspläne von Migrant:innen und Deutschen sowie die Wahlen von gesichert rechtsextremen Akteuren an die Spitze der AfD-Europawahlliste hinzu. Daher ist es an der Zeit, eine Vorprüfung über die Verfassungskonformität der AfD einzuleiten. Sollte diese den Verdacht erhärten, dass diese Partei mit hinreichender Wahrscheinlichkeit verfassungswidrig ist, dann dürfen wir nicht zögern, einen Antrag auf Überprüfung beim Bundesverfassungsgericht zu stellen.