Zwölf Thesen für die inhaltliche Weiterentwicklung der SPD
Die Parlamentarische Linke diskutierte auf ihrer ersten Klausurtagung der 19. Wahlperiode im November 2017 ausführlich über die notwendige Erneuerung der SPD. Festgestellt wurde dabei, dass die aktuelle Programmatik der Partei auf die großen Zukunftsfragen noch unzureichende Antworten gibt. In zwölf Thesen wurde daher festgehalten, welche inhaltlichen Diskussionen die SPD in den kommenden Jahren führen muss – unabhängig von der Frage, ob sie in Regierungsverantwortung steht oder nicht.
Zwölf Thesen für die inhaltliche Weiterentwicklung der SPD: Zusammenhalt und Zukunftsfähigkeit
- Wir erkennen an, dass die großen Herausforderungen der Menschheit nur international zu lösen sind. Deshalb wollen wir das Prinzip der Solidarität stets national, europäisch und global denken. Dafür sind demokratische Institutionen und politische Rahmenbedingungen notwendig. Markt und Wachstum sind nicht per se nachhaltig und sozial. Gefragt sind neue gesellschaftspolitische Antworten auf neue Herausforderungen angesichts von Globalisierung und Digitalisierung. Die Debatten in der SPD über die Freihandelsabkommen TTIP und CETA dürfen erst den Beginn der Suche nach zukunftsfähigen Politikansätzen bilden. Die Vereinbarung der Vereinten Nationen über Globale Nachhaltigkeitsziele (SDG`s) und das Pariser Klimaschutzabkommen müssen Grundlagen für das Handeln auf allen politischen Ebenen sein, um Hunger, Armut und Klimawandel zu überwinden.
- Wir setzen trotz und gerade angesichts der Globalisierung darauf, dass die Gesetzgeber auf internationaler, nationaler und regionaler Ebene ihre Kompetenzen ausschöpfen, um eindeutige Rahmenbedingungen für das Zusammenleben festzulegen. Wir wollen staatliche Mindestgarantien für ein Leben in Würde schaffen, die verlässlich und verständlich sind. Wo nötig, stellen wir dafür auch Althergebrachtes infrage. Mit dem Mindestlohn und dem damit verbundenen Eingriff in die Tarifautonomie haben wir es vorgemacht. Diesen Weg wollen wir weitergehen, beispielsweise im Bereich der Pflege mit einem gesetzlich festgelegten Mindestpersonalschlüssel, denn über Mindeststandards in Pflegeeinrichtungen oder über die ärztliche Versorgung auf dem Land dürfen nicht die Krankenkassen oder kassenärztliche Vereinigungen entscheiden. Die Sozialgesetzgebung muss überdies so reformiert werden, dass jedem Kind und jedem Erwachsenen eine armutssichere Existenz und soziale Teilhabe garantiert wird.
- Die sozialen Sicherungssysteme wollen wir grundsätzlich umbauen, indem eine Bürgerversicherung im Gesundheitswesen und eine Erwerbstätigenversicherung im Bereich der Altersversorgung geschaffen werden. Versicherungsfremde Leistungen sind völlig auszugliedern. Wir müssen uns entscheiden, ob die staatliche Garantie die entscheidende Säule sein soll. Die Versuche, z.B. über Direktversicherungen private Vorsorge zu erreichen, um sie anschließend mit Beiträgen und Steuern zu belasten, haben das Vertrauen vieler Bürgerinnen und Bürger erschüttert.
- Die Zukunft der Arbeit wollen wir neu denken. U.a. durch die Digitalisierung werden Arbeitszeitmodelle, Arbeitsrecht und kollektive Interessensvertretungen neu justiert werden müssen. Auch die Selbstständigkeit wandelt sich, Solo-Selbstständige gehören in die gesetzlichen Sicherungssysteme aufgenommen. Beschäftigung muss garantiert werden – mit einem öffentlichen Beschäftigungssektor und der Garantie für Qualifizierung.
- Die Schere zwischen Arm und Reich ist nur durch eine viel stärkere Besteuerung großer Einkommen und Vermögen zu verringern. Die Mehreinnahmen wollen wir zweckgebunden in die Infrastruktur investieren: bezahlbarer Wohnraum, Bildung, Breitbandausbau. Die Steuerflucht großer Konzerne muss endlich beendet werden – auch daran muss sich staatliche Steuerungsfähigkeit messen lassen.
- Die planetaren Grenzen müssen wir akzeptieren und daran unsere politischen Instrumente (z.B. Steuern, Subventionen) ausrichten, um angesichts endlicher Ressourcen Verteilungsgerechtigkeit zu garantieren. Insbesondere die internationale Handelspolitik muss diesen Gegebenheiten angepasst werden – Freihandel kann auf Zölle verzichten, aber auf Standards mit konkreten Beschwerde-, Überprüfungs- und Sanktionsmechanismen nicht!
- Einwanderung bedeutet für uns Chance und Herausforderung zugleich. Die letzten Jahre haben gezeigt, dass auch in der SPD die Diskussion über dieses Themenfeld noch nicht abgeschlossen ist. Auf jeden Fall brauchen wir ein fortschrittliches Einwanderungsrecht, ein verfassungsrechtlich unumstößliches Asylrecht, aber auch ein Diskurs wie Integration gelingen kann.
- Wir brauchen wieder einen klaren Kompass in der Daseinsvorsorge, der jede Form der Privatisierung entsprechender Bereiche untersagt. Bezahlbarer Wohnraum wird nur mit staatlichem Handeln zu schaffen sein. Die Flucht in privatrechtliche Organisationsstrukturen, wie z.B. bei der Deutschen Bahn, ist nicht zielführend.
- Wir ziehen die richtigen Lehren aus dem neoliberalen Zeitalter und werden auf dem Feld der Wirtschaftspolitik einen Gegenentwurf zu neoliberalen Konzepten formulieren. Es ist bezeichnend, dass die Berichterstattung über Aktienkurse regelmäßig in den Medien einen breiten Raum einnimmt, ohne andere Werte zu berücksichtigen. Unternehmen sollen in die Lage versetzt werden, neben monetären Unternehmenszielen auch gesellschaftliche Gemeinwohlinteressen zu verfolgen. Wir brauchen eine Debatte über alternative Wirtschaftsmodelle, nachhaltige Gesellschaftsformen und über die Beschränkung der Marktmacht bestimmter Unternehmen.
- Bildung ist der Schlüssel für soziale Gerechtigkeit. Föderale Grenzen in unserer Bildungspolitik wollen wir überwinden. Gebührenfreiheit und gute Qualität sind Leitplanken künftiger Bildungspolitik.
- Die SPD ist Friedenspartei. Das erfordert eine Grundsatzdebatte über Rüstungsexporte, über die Rolle Deutschlands in internationalen Bündnissen und die Ausrichtung der Bundeswehr.
- Demokratie muss neu belebt werden. Wir werden uns dazu insbesondere mit Veränderungen für Parlamentarismus, Partei und Planungsrecht auseinandersetzen. Gerade die Kommunen können zum Ort gelebter Bürgerbeteiligung und Partizipation werden (u.a. durch Multi-Stakeholder-Räte).
Und nach erfolgreichen Wahlen: Wir werden bei einer künftigen Regierungsbeteiligung bei der Suche nach Kompromissen in einer Koalition immer darauf achten, dass die Glaubwürdigkeit und der Markenkern unserer Partei gewahrt werden. Die Einführung von messbaren Indikatoren in Koalitionsverträgen können ein Instrument sein, Wert und Sinn einer Regierung unter Beteiligung der SPD aufzuzeigen.